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Naturforschung · Naturschutz · Umweltbildung

Jeden Monat ruft der Arbeitskreis Spinnen alle Naturinteressierten auf, nach einer ausgewählten, gut zu erkennenden Spinnenart zu suchen. Wir suchen nach gleich zwei Spinnenarten aus der Familie der Zitterspinnen (Pholcidae) .

Die Beobachtungen im Artenfinder RLP zu melden. So hoffen wir, deutlich mehr Informationen zur Spinnenfauna unserer Heimat zu bekommen. 

Im Januar 2025 haben wir eine Premiere: Wir suchen nach gleich zwei Spinnenarten aus der Familie der Zitterspinnen (Pholcidae)   

Zygiella x notata Sektorenspinne 9Holocnemus pluchei Marmorzitterspinne W 52

Große Zitterspinne Pholcus phalangoides                       Marmorzitterspinne Holocnemus pluchei

Man muss nicht weit gehen, um sie zu entdecken: Zitterspinnen leben in Mitteleuropa nahezu ausschließlich im Siedlungsbereich des Menschen (synanthrop). Sie sind ziemlich häufig und als effektive Insektenjäger an Gebäuden ein ausgesprochen "nützlicher" Mitbewohner des Menschen.

Sie sitzt fast in jedem Gebäude in Deckenwinkeln: Die Große Zitterspinne Pholcus phalangoides (1). Ihr Name ist Programm: Bei Störung versetzt sich diese extrem langbeinige Spinne in kreisend zitternde Bewegung, was ihren ohnehin dünnem Körper für Feinde fast unsichtbar macht. Tatsächlich ist dieses, eigentlich zart wirkende aber Tier ein effektiver Jäger, der auch große Spinnen und Insekten überwältigen kann. Mit ihren langen Beinen hält die Zitterspinne ihre Beute auf Abstand und bewirft sie gleichzeitig mit klebriger Spinnseide, die das Opfer fesselt und wehrlos macht. Dann beißt die Zitterspinne ein winziges Loch meist in eine Gelenkhaut, pumpt zunächst Verdauungssekret in ihre Beute und saugt diese aus. Das dauert lange und übrig bleibt eine leere Hülle. Pholcus phalangoides ist in der Regel nur in Innenräumen zu finden, hat aber auch seit einigen Jahren Gesellschaft - erstmal um 2000 für Deutschland nachgewiesen - durch einen sehr ähnliche Zitterspinnen-Neubürger aus dem Süden bekommen, einer Art, die vorzugsweise eher außen an Gebäuden, unter Vordächern, an Gartenhäuschen aber auch in manchen Innenräumen lebt: Die Marmorzitterspinne Holocnemus pluchei (2)  Ein aufgewölbter, grau marmorierter Hinterleib, ein fast schwarzer (!) Bauchstreifen sowie an den Gelenken stark schwarz-weiß geringelte Beine unterscheiden diese, ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Spinne von ihrer mitteleuropäischen Verwandten. Auch ihr zitterndes Abwehrverhalten ist etwas anders als bei der Großen Zitterspinne: Die Marmorzitterspinne „hüpft“ mit ihrem Körper anstatt zu kreisen. Auch diese Zitterspinnenart ist ein sehr effektiver Jäger und erbeutet Insekten und Spinnen jeder Art und Größe (3). Abb. 7 Marmorzitterspinne Holocnemus pluchei mit Beute Foto W.BraunsteinZwei Spinnenarten: Eine alteingesessen, eine neu zugereist, auf den ersten Blick sehr ähnlich, doch mit einigen Unterschieden. Da gibt es also noch mehr Interessantes:  

Bemerkenswert: Die Marmorzitterspinne bildet teilweise große Ansammlungen von Einzeltieren, die sich einander gegenüber sehr tolerant verhalten. Weibchen tragen – wie alle Zitterspinnen – ihren Eiballen aus ca. 30-50 Eiern in den Cheliceren und bauen – ganz typisch für diese Art – eine ca. 5 cm große transparente Gespinstkugel als Schutzhülle um sich und ihren Nachwuchs, der nach dem Schlüpfen bis zur ersten Häutung darin verbleibt (3). Auch im späteren Leben steht das "Miteinander" bei Holocnemus pluchei  im Mittelpunkt: Die Marmorzitterspinnen lebt in Kolonien, in denen weitgehend Toleranz gegenüber den achtbeinigen Mitbewohnern herrscht (4).

Abb. 9 Weibchen der Marmorzitterspinne Holocnemus pluchei mit Eiballen in der Schutzkugel Foto W.Braunstein4   Abb. 8 Tolerantes Miteinander Gruppe der Marmorierten Zitterspinne Holocnemus pluchei Foto W.Braunstein 5  Pholcus phalangoides Grose Zitterspinne 46

Auch die Große Zitterspinne Pholcus phalangoides kümmert sich um ihren Nachwuchs, indem das Weibchen das Eigelege in den Cheliceren trägt und auch die später schlüpfenden Jungspinnen in ihrem Netz duldet (5). Auch bei unserer alteingesessenen Großen Zitterspinne ist man sich also nicht "spinnefeind" und lebt auch als erwachsene Zitterspinne durchaus friedlich miteinender. Keine Frage: Die Spinnennetze der Zitterspinnen in unseren Wohnungen mögen optisch stören, Staubfänger sein, und sie stellen auch kein ästhetisch beeindruckendes Naturbauwerk dar - aber sie beherbergen sehr interessante und für uns Menschen durchaus nützliche Mit-Lebewesen. Daher der Appell: Mit Spinnenweben leben!

Und dann noch dies: In der Pfalz findet man noch eine dritte Zitterspinnenart: Die kleine Zitterspinne Pholcus opilionides Schrank, 1781. Sie lebt weit weniger synanthrop, findet sich also eher Geröllhalden und unter größeren Steinen und an der Unterseite von Überhängen. Auch in hohlen Bäumen und im Wald in der Bodenschicht. Ab und zu in Kellern (Nentwig et al. 2012), nicht selten auch im oberen, nicht so feuchten Bereich von Kanalisationsschächten (Jäger 1998). aber wesentlich seltener im synanthropen Bereich zu finden, als die Schwesterart Pholcus phalangioides

Weitere Informationen:

https://wiki.arages.de/index.php?title=Pholcus_phalangioides und

https://wiki.arages.de/index.php?title=Holocnemus_pluchei

https://wiki.arages.de/index.php?title=Pholcus_opilionoides

Bildquellen: (1 - 5): W. Braunstein - (6): Gerd Reder

Bellmann H (2001): Kosmos-Atlas Spinnentiere Europas. Frankh-Kosmos Verlag. ISBN 3-440-09071-X, 304 S.

Bellmann H (2010): Der Kosmos Spinnenführer: Über 400 Arten Europas. Kosmos. 1. Auflage. ISBN 3-440-10114-2, 429 S.

Jäger P (1998): Weitere Funde von Nesticus eremita (Araneae: Nesticidae) mit Angaben zur Taxonomie im Vergleich zu N. cellulanus.Arachnologische Mitteilungen 15, S. 13–20, doi:10.5431/aramit1503.

Nentwig W, Blick T, Bosmans R, Gloor D, Hänggi A & Kropf C (2012): Spinnen Europas. Version 01.2012. Online https://www.araneae.nmbe.ch