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Naturforschung · Naturschutz · Umweltbildung

Der Lungenenzian in der Pfalz und im angrenzenden Saarland

Einleitung

GenPne Eller 1008x756Lungenenzian im Pfeifengrasbestand bei Ludwigswinkel (O. Eller am 15.9.2023)Der Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe) ist eine wunderschöne Pflanze, die nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt ist. Nichtsdestoweniger ist ihr Bestand so rückläufig, dass sie auf der neuen Roten Liste der Pflanzen der Pfalz als stark gefährdet eingestuft wurde. An dieser Stelle soll über die noch existierenden Vorkommen der Art in der Pfalz berichtet werden und darüber, wo die Art einst ihr größtes Verbreitungsgebiet in Rheinland-Pfalz hatte. Außerhalb dieses Raumes kommt die Art in Rheinland-Pfalz nur noch sehr selten im Westerwald und in Rheinhessen vor. 

Ökologie und Gefährdung

Der Lungenenzian kommt auf lichten, nährstoffarmen, vernässten Standorten vor. Bei uns in der Pfalz sind das meist „Pfeifengraswiesen“: magere Wiesen, auf denen oft das Pfeifengras (Molinia caerulea) zu finden ist. Es handelte sich dabei um Moor- und Pfeifengraswiesen, die traditionell nur einmal spät im Jahr gemäht wurden. Besiedelt wurden übrigens sowohl kalkreiche als auch kalkarme Feuchtwiesen. Inzwischen sind die meisten derartigen Wiesen, weil sie aus landwirtschaftlicher Sicht kaum Ertrag hatten, entweder trockengelegt und dann zu Intensivwiesen melioriert, oder sie werden nicht mehr als Wiesen genutzt, sondern liegen brach oder sind sogar aufgeforstet worden.

GenPne Nachtrieb Sept22 POL 1807 300x400Nach der Mahd Mitte Juni treibt der Lungenenzian nur kümmerlich nach. Trotz Trockenheit zeigen die Seggen ein wesentlich kräftigeres Wachstum (Böhler Bruch, 1. September 2022; Foto P. Thomas)Eine mehrmalige Mahd oder eine frühe Mahd schädigt den Lungenenzian, weil er erst spät im Jahr fruchtet. Daher fehlt die Art in mäßig intensiv zweischürig genutzten Feuchtwiesen. Bei Brache hält sich der Lungenenzian oft noch mehrere Jahre – trotz hochwüchsiger Konkurrenz, denn die Pflanzen können wohl bis 30 Jahre alt werden! Die Pflanzen sind dann aber oft steril und somit kaum mehr zu finden. Auch kann er sich dort nicht verjüngen: seine Samen sind winzig klein und brauchen daher zur Keimung offene dauerfeuchte Standorte. Die Jungpflanzen sind zunächst einmal extrem konkurrenzschwach.

Kartierung

Die hier vorgestellte systematische Kartierung aller bekannten Wuchsorte der Pfalz fand in den Jahren 2022 und 2023 statt. Vom AK Botanik waren hieran Erich Gallhuber, Klaus Schaubel, Rolf Schneider und Peter Thomas beteiligt. Da der Lungenenzian außerhalb der Blüte- und Fruchtzeit fast nicht zu finden ist, erfolgte die Suche in den beiden Jahren jeweils nur ab Anfang August und schwerpunktmäßig im September. Die Bestände wurden im Gelände koordinatengenau erfasst. Notiert wurden die Anzahl der Blütentriebe und die Anzahl der besiedelten Flecken, sowie Anmerkungen zum Biotop, zur Gefährdung und zur Pflege.

Hinweise, wo die Art schon beobachtet wurde, verdanken wir Frau und Herrn Bischoff, Herrn Franz-Otto Brauner, Herrn Oliver Eller, Herrn Siegfried Filus, Herrn Robert Fritsch, Herrn Matthias Kitt, Herrn Kolter, Frau Kruse, Herrn Otto Schmidt, Herrn Christian Weiser, Herrn Jürgen Walter und Herrn Rainer Ziebarth. Für die Übergabe von Kartierungsdaten aus dem Artenportal, aus der EDV des LfU und dem Artenfinderportal danken wir Herrn Marcus Mannfeld und Herrn Chris Dlouhy. Dank auch an das Homepage-Team für die Übertragung in das Internet.

Ergebnisse

 Die Ergebnisse der Kartierung werden in der unten abgebildeten Karte lokalisiert. In der Karte werden die aktuellen Vorkommen durch Symbole für drei Populations-Größenklassen dargestellt. An allen im Rahmen der Kartierung nicht bestätigten Wuchsorten wurden in der Karte verschiedene „Kreuz-Symbole“, aus denen der Zeitraum des Erlöschens hervorgeht, eingetragen. Durch Anklicken der Karte erhalten Sie eine höher aufgelöste Karte. Da der Lungenenzian aber bezüglich „Sammler/Naturtourismus“ als sensible Art eingestuft wird, wurden die Punkte von aktuellen Populationen nur ungenau eingetragen, damit nicht jedermann mit Hilfe der Karte die Pflanzen finden kann. Wenn Sie genauere Informationen zur Lage und zur Population brauchen, wenden Sie sich bitte an die unten genannten Personen.

GentPneuUbersichtskarte RED 2480x1748Übersichtskarte - für Detailansicht klicken

Diskussion

In der Karte eingetragen wurden folgende Anzahlen für die einzelnen Kategorien:

Populationsgröße : Anzahl Vorkommen

Tabelle Anzahl VK 400x354

 

 

 

 

 

 

 

Zu den aktuellen Vorkommen

  • In der Pfalz gibt es aktuell nur noch eine große Population (mit ca. 300 Blütentrieben). Hier, bei Ludwigswinkel, ist derzeit keine Gefährdung zu erkennen.
  • In den Wiesen im Wald westlich von Speyer, wo ehemals auf fast allen Wiesen große Vorkommen mit zusammen weit über 500 Blütentrieben vorkamen, konnten bei der Kartierung 2022 und 2023 insgesamt nicht einmal mehr 100 Blütentriebe gezählt werden. Diese verteilten sich auf nur 7 Stellen. Auf den meisten Wiesen sind die Bestände eingebrochen, weil sie regelmäßig während der Blütezeit des Lungenenzians gemäht wurden. Eine Fläche wurde auch schon früher als Pfeifengraswiese einschürig gepflegt. Dort sind die Bestände in den letzten Jahren aufgrund der Trockenheit und Grundwasserabsenkungen von einst über 300 auf unter 50 Blütentriebe zusammengeschrumpft.
  • Die drei letzten Bereiche in der Kaiserslauterer Senke, in denen noch Lungenenzian vorkommt, sind Königsbruch, dicht außerhalb der Landesgrenze im Saarland liegend, Peterswaldmoor und Schmalzwoog. In diesen Gebieten fand keine landwirtschaftliche Entwässerung statt. Allerdings bestehen hier Einflüsse auf den Grundwasserspiegel durch kommunale Wasserentnahme. Inzwischen werden die drei Stellen mit Lungenenzian im Bereich des Peterswaldmoors vom Bundesforst sachgerecht gepflegt. Innerhalb der genannten Gebiete konnten 2022 und 2023 nur einzelne kleinere Populationen mit insgesamt unter 100 Blütentrieben gefunden werden! An zwei Fundorten hat die Populationsgröße in den letzten 10 Jahren erheblich abgenommen.

Zu den verschollenen Vorkommen

  • Der Lungenenzian war nach dem Krieg in der Pfalz noch deutlich verbreiteter und die Populationen größer. In der Karte gut erkennbar ist der drastische Rückgang im Landstuhler Bruch. Hier waren die typischen Standorte „Moorwiesen“. In diesen Bereichen wurde schon früh flächig der Grundwasserspiegel abgesenkt, weshalb der Rückgang nässebedürftiger Flachmoorpflanzen in diesem Raum bereits in den 80er Jahren weitgehend erfolgt war. Lungenenzian übersteht dagegen auch weniger nasse Phasen. Reliktvorkommen vom Lungenenzian gab es noch einige bis 2018. Allerdings handelte es sich um Reliktvorkommen auf Standorten, die für eine Verjüngung der Art mittlerweile offensichtlich ungeeignet waren. Dabei dürfte die Grundwasserspiegelabsenkung meist der entscheidende Faktor gewesen sein, insbesondere wenn hiermit eine verstärkte Sukzession verbunden war.
  • An einigen ehemaligen Fundorten in der Kaiserslauterer Senke scheint eine starke Bult-Bildung auf brachliegenden Pfeifengraswiesen für das Verschwinden des Lungenenzians zumindest mitverantwortlich zu sein.
  • Der 2008 gemeldete Fundort NSG Sippersfelder Weiher konnte nicht mehr bestätigt werden. Ehemalige potentielle Wuchsorte im NSG scheinen heute durch dichte Vegetation überwuchert zu sein.
  • Für den Bereich der Rheinebene schreibt etwa Schultz (1845: 302) „ … auf der Rheinfläche fast überall sehr gemein“. Die meisten dieser zahlreichen Vorkommen sind schon lange vor der Phase der floristischen Rasterkartierungen erloschen und daher in den Verbreitungskarten nicht enthalten: zahlreiche Vorkommen des Lungenenzians auf ehemaligen Pfeifengraswiesen der Rheinniederung sind wohl Aufforstungen mit Pappeln oder der Verschilfung und Weidensukzession zum Opfer gefallen. Die letzten Vorkommen im Bereich der Rheinniederung sind aber erst in diesem Jahrtausend erloschen. 2022 und 2023 konnten in der Pfalz keine Lungenenzian-Vorkommen auf kalkreichen Standorten mehr nachgewiesen werden!
  •  Die ehemals vielen Vorkommen in der Rheinebene außerhalb der Rheinniederung sind meist schon früh der Melioration zum Opfer gefallen. Zuletzt sind hier Vorkommen aufgrund Grundwasserabsenkungen und nicht angepasster Pflege erloschen. Heute gibt es in dem Bereich der pfälzischen Oberrheinebene nur noch im Speyerer Wald Vorkommen des Lungenenzians.

Fotogalerie

In der Fotogalerie finden Sie Bilder u.a. vom Lungenenzian auf den Heuwiesen im Speyerer Wald oder von Trockenschäden oder von „Pflegefällen“ .

Ausblick

Auch wenn die Phase der systematischen Kartierung abgeschlossen ist, wollen wir in der nächsten Zeit nochmals an verschollenen Standorten nach der Art schauen: An suboptimalen Standorten blüht Lungenenzian nur spärlich. Wenn dann noch die Fläche aufgrund der Sukzession unübersichtlich ist, ist ein Nachweis Glückssache!

OEN2222 07 18P1010364 Auspflockung 400x300Auspflockung von kleinen Wiesenstücken, damit besondere Pflanzen fruchten können (hier: Röhriger Wasserfenchel im Lehenbruch; 18. August 2022; Foto P. Thomas)Der Schwerpunkt bei der Bearbeitung soll in den nächsten Jahren auf dem Schutz und der Entwicklung der vorhandenen Vorkommen liegen. So haben wir inzwischen die Möglichkeit, auf den Heuwiesen im Speyerer Wald die noch vorhandenen Lungenenzian-Pflanzen kleinflächig von der frühen Mahd auszuklammern. Leider kennen wir derzeit noch nicht die Lage aller Bereiche, in denen noch Einzelpflanzen wachsen. Wir wollen versuchen, alle Pflanzen genau einzumessen, damit eine sichere Auspflockung möglich wird. Wenn Sie dort auf den Wiesen in den letzten Jahren Lungenenzian beobachtet haben, wären wir um eine Meldung an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. sehr dankbar. Im übrigen hoffen wir, dass mittelfristig größere Teile der Wiesen statt im Sommer erst im Herbst gemäht werden. Da die Wiesen relativ wenig Heu liefern, sind die Landwirte mittelfristig hoffentlich mit der Mahdverschiebung auf größeren Teilflächen einverstanden, wenn sie finanziell den entsprechenden Ausgleich erhalten.

Gegen die Auswirkungen der zunehmenden Trockenheit und dem Sinken der Grundwasserspiegel können leider keine direkten Maßnahmen erfolgen. Hier wollen wir aber versuchen, benachbart zu den zu trocken stehenden Vorkommen grundwassernähere, feuchtere Standorte entsprechend zu entwickeln. Infrage kommen hier zum einen feuchte Grabenränder und zum anderen nassfeuchte Schilfröhrichte und Weidengebüsche. Allerdings dauert es längere Zeit und kostet viel Pflegeaufwand, bis die hochwüchsige Vegetation dieser Standorte sich zu einer für Lungenenzian geeigneten, offeneren Fläche entwickelt hat.

An derartigen Flächen wäre dann wahrscheinlich eine Ex-situ-Ausbringung des Lungenenzians erforderlich, weil vermutlich zunächst der Standort noch nicht für eine Verjüngung über Samen günstig ist. Ausbringungen des Lungenenzians werden unsererseits aber nur dann für sinnvoll erachtet, wenn der Standort für die Art sicher auch langfristig geeignet ist. Diese Entscheidung sollte auf einer gründlichen geobotanischen Untersuchung – d.h. auch inkl. Studium der Grundwasserverhältnisse – erfolgen.

Literatur

Schultz, F.W. (1845/46): Flora der Pfalz. 575 S. Speyer. Einsehbar über: https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10387414?lang=de  (Artenregister auf „653“)

Internetquellen

Verbreitungskarte Deutschland (Stand 2013): https://floraweb.de/webkarten/karte.html?taxnr=2635

Verbreitungskarte Pfalz (Lang & Wolff 2011): https://www.pollichia.de/images/gruppen/AK_Botanik/FloraPfalz/Gentiana_pneumonanthe.PDF

Situation in Hessen (Sylvain Hodvina & Rainer Cezanne 2010):
https://www.zobodat.at/pdf/Botanik-Naturschutz-Hessen_23_0063-0088.pdf

Allgemeine Information (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Lungen-Enzian

Steckbrief in FloraWeb: https://floraweb.de/php/artenhome.php?suchnr=2635

Alter von Pflanzen und Ausbringung bei Berlin: https://www.stiftung-naturschutz.de/aktuelles/pflanze-des-monats/lungen-enzian

Bedeutung des Lungenenzians für den Schmetterlingsschutz:  https://de.wikipedia.org/wiki/Lungenenzian-Ameisenbl%C3%A4uling