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Naturforschung · Naturschutz · Umweltbildung

Im spannungsreichen Rahmen zwischen Glauben und Wissen bewegte sich eine Soiree in der „Bürgerhalle“ des Rathauses zu Montabaur am Sonntag, dem 21. April 2024. Ursprünglich war eine für Pollichia-Mitglied Dr. Hermann Josef Roth geplant, der 2023 sein 85. Lebensjahr vollendet hat. Stattdessen stand die Übertragung der von ihm verwalteten natur- und landeskundlichen Bibliothek und Sammlung an die Stadt sowie an namhafte Archive, Bibliotheken auf der Agenda.

Die vielleicht umfangreichste Privatsammlung zur Natur und Landeskunde von Westerwald und Mittelrhein wurde in der bisherigen Form aufgelöst und an das Archiv der Stadt Montabaur sowie jeweils fachgebunden an namhafte Archive, Bibliotheken und Institute im In- und Ausland abgegeben.

RLP Umweltpreis 400x310RLP Umweltpreis 2001 (Umweltministerin Dr. Margit Conrad mit Dr. Roth; rechts dahinter Prof. Dr. Günther Preuss)Die Sammlung begründete der Altphilologe Prof. Johannes Ebert (1871-1923). Sein Sohn, Pfarrer Ferdinand Ebert (1907-1982), Dozent am Priesterseminar Limburg, hat sie ausgebaut. Als dessen Erbe hat Pollichia-Mitglied Dr. Hermann Josef Roth die Bestände verwaltet und erheblich erweitert durch naturwissenschaftliche Fachliteratur bis hin zur „grauen Literatur“, die oft wertvolle Daten bereithalten, die sonst kaum irgendwo greifbar sind.

Zum Abschluss dieser Arbeiten lud Stadtbürgermeisterin und erste Beigeordnete des Westerwaldkreises, Gaby Wieland, zu einer Soiree im Rathaus Montabaur ein. Der Landtagspräsident von Rheinland-Pfalz, Hendrik Hering, unterstrich in seiner Festrede die Bedeutung des Ehrenamtes. Mit Blick das vorliegende Sammelgut sagte er:

Man sollte „meinen, dass allein diese Schätze längst die Neugier der Fachwelt geweckt hätten. Aber die Wirklichkeit sieht in unserer schnelllebigen Zeit leider anders aus – und umso größer ist das Verdienst des Mannes, dem wir sehr viel an Wissen über unseren Westerwald und darüber hinaus verdanken. Ich spreche – natürlich – von Dr. Roth.

Seine Forschungen sind für mich jedenfalls ein wunderbares Beispiel dafür, warum Regionalforschung nie nur rein regional von Bedeutung ist. Im Gegenteil:“ Sie „öffnet den Blick für die gemeinsame europäische Geschichte, für das, was Europa als Ganzes auszeichnet.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Das Ehrenamt ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Es sind ehrenamtlich engagierte Menschen, die ihrem Umfeld wichtige neue Impulse geben.

DxO 400x266Landtagspräsident Hendrik Hering, Mainz (li) und Dr. Hermann Josef Roth vor dem Rathaus MontabaurUnd noch etwas" lernen wir hier: „dass wichtige Forschungsarbeit nicht an einen bestimmten Beruf gebunden ist. Denn Roth ist ein Bürgerwissenschaftler – ein Citizen scientist – par excellence! Seine Schriften tragen dazu bei, dass wir bis dato unbekannte Zusammenhänge nicht nur sehen, sondern auch verstehen. Er arbeitet auf Feldern, die sonst schlicht brachliegen würden, weil es in der professionellen Wissenschaft dafür an Geld, Zeit und Interesse mangelt.“ Und „eines sind die Citizen Scientists sicher nicht: reine Erfüllungsgehilfen der professionellen Wissenschaft, die nur die Kernerarbeit machen.“ 

Prof. Dr. Eberhard Fischer, Botaniker an der Universität Koblenz-Landau, gab anschließend eine Übersicht unter fachbezogenem Aspekt:

Hermann Josef Roth ist „über die Geisteswissenschaften hinaus der Ausbildung nach Naturwissenschaftler. Und da treffen uns die Wege. Sehen wir von gemeinsamen Aktionen im Naturschutz einmal ab, so war unsere Mitgliedschaft“ in naturkundlichen Vereinen “der bedeutendste Begegnungsrahmen.

Es ist „für Berufs- wie Amateurforscher äußert wichtig zu erfahren, wo künftig die vorliegenden Schätze erreichbar sein werden. Der naturwissenschaftliche Teil ist im Wesentlichen von Dr. Roth auf- und ausgebaut worden. Er trug Informationsträger aller Art aus den Bio- und Geowissenschaften über den gesamten Westerwald einschließlich Siebengebirge zusammen. Dazu kamen im Laufe der Zeit noch Bücher und Dokumente zur Naturgeschichte und zum Teil auch Ethnologie der von ihm gründlich bereisten Länder Brasilien, México und USA.

Inmitten der vielen Standard- und Spezialwerke aus fast allen Bereichen der Biologie fallen die historischen Quellen und Abhandlungen auf. Sie befinden sich inzwischen komplett im Biohistoricum beim Museum König in Bonn. Da bewundert man Faksimilia mittelalterlicher Naturkunde wie das Bestiarium aus der Bodleian Library (um 1200; Oxford) oder das berühmte Musterbuch (1213) aus dem Zisterzienserstift Rein. Die Kräuterbücher der „Väter der Botanik“ (16. Jh.) − darunter Tabernaemontanus aus Bergzabern − die zum Teil gestandene Theologen waren, sind als originalgetreue Faksimilia fast alle vorhanden.

Erwähnt sei sodann die vollständige Sammlung aller Florenwerke des Westerwaldes und Nassauer Landes, die wir 2008 in der Ausstellung “ Alte Kräuterbücher und Pflanzenmappen“ auf der Drachenburg gewidmet haben. Zusätzlich bereichern Bildtafeln das Sammelgut. Da fällt gedanklich mein Blick auf die Moosglöckchen (Linnaea borealis) Linnés oder Originale des bekannten Tiermalers Wilhelm Eigener (1904-1982). 

Nicht zuletzt sind die Röntgenaufnahmen bemerkenswert, die Roth selber im Anatomischen Institut der Medizinischen Fakultät Köln von Vogelschädeln angefertigt hat, als er im Zusammenhang mit deren Mechanik den Feinbau der Knochen studierte.

Neben Büchern, historischen Landkarten, Gemälden und Stichen gehören auch naturwissenschaftliche Instrumente zum Bestand. Sie könnten als Exponate den Eingang der künftigen Unterkunft des Biohistoricum in Bonn-Poppelsdorf zieren.

Das Gesamtinventar soll später unter Beteiligung aller Abnehmer veröffentlicht werden. Zugriff besteht bereits auf die Bestände des Stadtarchivs Montabaur und die der Stiftung Naturschutzgeschichte auf der Drachenburg in Königswinter:

 

Pollichia Buch 35 Titelblatt 400x524Kulturlandschaft Westerwald. Perspektiven einer ökologischen Regionalentwicklung. Themenband zu den Tagungen der Umwelt-Akademie Rheinland-Pfalz, Abteilung POLLICHIA 1993 – 1995. Eigenverlag der POLLICHIA, 1997.135 Seiten, zahlreiche Abbildungen.Ergänzerder Hinweis: Die Kulturlandschaft Westerwald ist in nebenstehendem Buch beschrieben, welches im Pollichia-Shop erworben werden kann.

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