Zur Startseite Zur Startseite

Naturforschung · Naturschutz · Umweltbildung

Juli 2024
Deutschlands größte Spinne in der Pfalz: Zweitnachweis der Großen Jagdspinne Dolomedes plantarius (CLERCK 1757) am "Panzergraben" bei Steinfeld

  Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne W 4 1 Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne mit Kokon copy 2 Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne Beute 1 Kopie 3

Es ist schon sehr selten, dass eine Spinnenart gleich drei Mal in einem Vierteljahr einen halbseitigen Artikel in der RHEINPFALZ bekommt – erst recht, wenn es weder um Spinnenangst, Gruseleffekte oder Gift geht, sondern um den Nachweis einer sehr seltenen und stark gefährdeten Spinnenart für die Pfalz. 

Es begann Anfang Mai mit einem Leserfoto eines Anglers, der am am „Panzergraben“ auf seiner Ausrüstung eine besonders große Spinne fotografiert hatte. Glücklicherweise erkannte die zuständige Redakteurin, die selbst schon über einiges an Spinnenwissen verfügt, dass es hier um etwas sehr Besonderes gehen könnte. Sie schrieb nicht einfach einen reißerischen Artikel, sondern nahm Kontakt zu Experten auf und ließ sich beraten. So wurde dann auch das Pfalzmuseum für Naturkunde kontaktiert und die Anfrage landete schließlich beim AK Spinnen der POLLICHIA. Tatsächlich wiesen viele Indizien darauf hin, dass der naturinteressierte Angler eine sehr seltene Spinnenart abgelichtet hatte, von der es bislang für Rheinland-Pfalz gerade einen Nachweis (Kitt M & Nährig D 2002)  gegeben hatte: Dolomedes plantarius  Clerck 1757, die Große Jagdspinne – tatsächlich die größte Spinnenart Deutschlands.

Gezielte Nachsuchen ergaben weitere Indizien auf das wahrscheinliche Vorkommen von Dolomedes plantarius am Panzergraben. Bei der Exkursion des POLLICHIA-AK Spinnen Ende Juli konnten mehrere Kokongespinste und Jungspinnen entdeckt werden, aber letztlich gelang es erst zwei Tage später, ein Kokon tragendes Weibchen zu entdecken, zu untersuchen und zu bestimmen: Der Nachweis war erbracht!

So hatte das Zusammenwirken eines naturinteressierten Anglers, einer engagierten Redakteurin und Experten im Sinne bester Crowd-Science-Idee einen tatsächlich sensationellen Nachweis ermöglicht, an dem auch die interessierte Öffentlichkeit teilhaben konnte und der so in besonderer Weise publik wurde.

Hier einige Informationen zur Art:

Dolomedes plantarius (Clerck, 1757), Große Jagdspinne

In Europa und Russland verbreitet (World Spider Catalog 2017), aber überall nur sehr selten nachgewiesen. Für Deutschland gibt es aktuell nur 29(!) gesicherte Nachweise seit 1850, Für Rheinland-Pfalz nach dem Erstnachweis (Kitt M & Nährig D 2002) nun am Panzergraben der zweite Beleg für das Vorkommen dieser bemerkenswerten Spinne.

Verbreitung: https://atlas.arages.de/species/820

Im Artenfinder Rheinland-Pfalz gibt es nun diese aktuelle einzige Meldung.

Dolomedes plantarius ist unbestritten die größte Spinne Deutschlands: Die Weibchen erreichen 18–26 mm, Männchen 12–16 mm Körperlänge. Die Länge der kräftigen Laufbeine kann jeweils bis über 40mm betragen. Adulte Tiere treten wohl in zwei unterschiedliche Zeichnungsmorphen auf (Harms et al. 2009). Die erste besitzt wie die Schwesterart Dolomedes fimbriatus (4) auf braunem Grund weiße oder gelbe, jeweils seitlich liegende Längsbänder auf Pro- und Opisthosoma. Die andere – offenbar häufigere und aktuell in Steinfeld gefundene - ist komplett braun, weiße Längsbänder fehlen völlig (5). Eine vorhandene Zeichnung ist also kein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Ebenso können bei Dolomedes fimbriatus die Streifen fehlen oder nur sehr schwer zu sehen sein.

 4    5

Daher ist eine sichere Unterscheidung nur genital möglich (6). Bei einer Untersuchung der Genitalmerkmale mit einer guten Lupe ist bei Weibchen v.a. auf den für Dolomedes plantarius typischen unbehaarten Mittelteil der Epigyne und die distal liegende sklerotisierte Platte zu achten. Bei den Männchen braucht es ein Mikroskop zur Bestimmung: Der Embolus des Pedipalpus trägt basal einen Fortsatz, der bei der Schwesterart fehlt. (Harms et al. 2009).

Abb. 6Dolomedes GenitalstrukturenDolomedes plantarius ist ausgesprochen stenök, absolut unbedingt ans Wasser gebunden und offenbar eine reine Flachlandart. Sie ist laut Literatur nur in größeren See- und Moorgebieten mit keiner oder nur schwacher Strömung zu finden. Offenbar bieten auch Kleingewässer in der Rheinebene passende Lebensbedingungen. Eine zumindest teilweise Besonnung von Ufer- und Wasserflächen und eine permanente Wasserführung sind weitere elementare Faktoren. Ständig beschattete Gewässer werden generell gemieden. Ebenfalls stellt die Art hochspezielle Anforderungen an die Uferregion. So benötigt sie zur Fortpflanzung eine reich strukturierte, offene Uferfläche mit krautiger Vegetation wie Seggen, Rohrkolben oder Krebsschere. Noch beliebter sind entsprechende Vegetationsinseln im Gewässer.

Die Wasserqualität und der PH-Wert sind weniger relevant, doch werden stark verschmutzte oder eutrophierte Gewässer nicht besiedelt (Duffey 1995). Bei einer auch nur temporären Austrocknung des Gewässers kann Dolomedes plantarius – anders als Dolomedes fimbriatus - nicht auf umliegende feuchte Flächen ausweichen. (Harms et al. 2009).

Ein weiterer Unterschied: Jungtiere der Art wurden bisher nicht auf Büschen und Sträuchern gefunden, die in der Umgebung der Habitate wachsen. Solch ein Verhalten ist für Dolomedes fimbriatus dokumentiert.

An dieser Stelle sei auf eine weitere Verwechslungsgefahr hinsichtlich deutscher Namensverwendung hingewiesen: Die Große Jagdspinne Dolomedes plantarius wird in allgemeinen Veröffentlichungen gerne auch als “Gerandete Wasserspinne“ oder „Große Wasserspinne“ benannt. Das verwirrt, denn es gibt ja auch eine, ebenfalls selten gefundene Spinnenart aus einer ganz anderen Familie, den Dictynidae, die tatsächlich nahezu permanent untergetaucht lebt, mit Spinnseide eine luftgefüllte Taucherglocke baut und daher den deutschen Namen „Wasserspinne“ exklusiv verdient: Argyroneta aquatica Clerck 1757.

Trotz ihrer enormen Größe ist es sehr schwer, Dolomedes plantarius im natürlichen Lebensraum zu finden. Bei der kleinsten Störung tauchen die Spinnen ins Wasser ab und verbleiben dort lange Zeit. Beobachtungen ergeben sich zufällig – so wie bei dem Angler am Panzergraben.

Lediglich in den Wochen der Brutfürsorge im Juli hat man eine gute Chance, diese Spinnenart wirklich zu Gesicht zu bekommen, wenn die Weibchen ihren Kokon in den Cheliceren tragen und am Ufer sitzen (7). Oder auch dann, wenn die Jungspinnen nach der Öffnung des Kokons durch das Weibchen aus diesem kriechen und sich in einem lockeren Gespinst zunächst als dichte Kugel (8) und später als loser Haufen an Pflanzen (9) über der Wasserfläche aufhalten – mit dem bewachenden Weibchen in der Nähe

Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne W mit Kokon copy 2

 7  Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne Kokongespinst copy 1 8  Dolomedes plantarius Grose Jagdspinne Kokongespinst copy 2 9

Es gibt noch viele Rätsel in der Biologie von Dolomedes plantarius zu lösen. Jetzt, wo sie erneut vor unserer Haustür in der Pfalz nachgewiesen wurde, und mittlerweile weitere Verdachtsbeobachtungen aufgrund der Veröffentlichung in der RHEINPFALZ gemeldet wurden, besteht  die Chance, etwas mehr über diese größte Spinne Deutschlands zu erfahren. Dabei ist folgendes zu beachten:

Dolomedes plantarius ist nach der Bundesartenschutzverordnung in Deutschland als eine von fünf Spinnenarten streng geschützt (Bundesministerium der Justiz 2005). Nachweise dieser Spinnenart sind in jedem Fall naturschutzrelevant.

Wolfgang Braunstein